Hana Wichterlová – die erste Dame der tschechischen Bildhauerei

Hana Vichterlová s pleteným copem nad čelem sedící zahalená v dece v relaxačním lehátku v pozadí kamenná zeď porostlá břečťanem

Die am 2. März 1903 geborene Hana Wichterlová und ihr zehn Jahre jüngerer Bruder Otto Wichterle, der Erfinder der Kontaktlinsen, stammten aus einer wohlhabenden Industriellenfamilie aus Prostějov – der Maschinenbaufabriken Wichterle und Kovařík (Wikov).

Vater Karel Wichterle war einer der aufgeklärten Unternehmer, die wussten, dass Geld zwar wichtig ist, aber nicht alles. Und so interessierte er sich neben seinem geschäftlichen Streben und dem Wunsch nach materiellem Erfolg auch für Kunst und Kultur, die zwar nicht profitabel waren, aber das Leben bereicherten. Er war mit einer Reihe von Künstlern befreundet, unter anderem mit dem Architekten Jan Kotěra. Gerade dieser bemerkte, dass Hana künstlerisches Talent hat und ihrer Familie empfahl, sie auf eine Kunstschule zu schicken.

Studium und Werke

Die sechzehnjährige Hana trat die Akademie der Bildenden Künste in Prag an, wo sie von 1919 bis 1925 bei Jan Štursa Bildhauerei studierte.

Zu ihren Klassenkameraden gehörten Vincenc Makovský, Josef Wágner und Bedřich Stefan, ihr späterer Ehemann. Sie schloss die Akademie mit ihrer Skulptur Erstaunen ab, die zu ihren Meisterwerken zählt.

Nach dem Studium fuhr sie nach Paris ab, wo sie mehrere Jahre lebte und arbeitete und persönlich und künstlerisch hereinreifte. Dort lernte sie die Arbeit des rumänischen Bildhauers Constantin Brâncuși kennen, dessen Werk sie später maßgeblich beeinflusste.

Zu ihren weiteren bekanntesten Werken gehören das Stehende Mädchen, der Torso mit Vase und vor allem die Knospe, das die innere Form einer Knospe darstellt. Dieses Werk gilt als die bedeutendste Skulptur der tschechischen Zwischenkriegsavantgarde. Seit 1931 war sie Mitglied des Vereins bildender Künstler Mánes.

Smržice und Prager Atelier

Während des Zweiten Weltkriegs lebte sie auf einem Bauernhof in Smržice und war nicht als Künstlerin tätig. Im Jahr 1942 heiratete sie einen ehemaligen Klassenkameraden, den Kunstbildhauer Bedřich Stefan. Im Jahr 1948 kehrte sie nach Prag zurück, aber erst Mitte der 1950er Jahre begann sie wieder mit der Bildhauerei.

Hana Wichterlová lebte und arbeitete über 50 Jahre lang im Kleinseitner Atelier und schuf viele weitere großartige Werke. Dort traf sie sich oft mit dem Fotografen Josef Sudek, der eine Serie von magischen Fotografien mit dem Titel „Das Gärtchen der Frau Bildhauerin“ schuf.

Unvollendete Mahulena

Einen besonderen Platz im Werk von Hana Wichterlová nimmt die unvollendete Skulptur Mahulena ein, an der die Künstlerin fünfunddreißig Jahre lang arbeitete. Diese Komposition, die eine Symbiose aus einem Baum und einem Frauenkörper darstellt, wurde zum Symbol des Internationalen Bildhauersymposiums von Hana Wichterlová, das zehn Jahre lang in Prostějov stattfand. Sie war auch an Auftragsarbeiten beteiligt. Bekannt aus dieser Zeit sind zum Beispiel die Tierreliefs, die als Hauszeichen der Turmhäuser in der Vítězná-Straße in Kladno dienen.

Verdiente Künstlerin

Im Jahr 1968 wurde ihr der Titel „Verdiente Künstlerin“ verliehen. Im Jahre 1988 sollte sie anlässlich ihres 85. Geburtstages eine Ausstellung im Neuen Saal in Prag haben. Sie verzichtete auf diese Möglichkeit zu Gunsten junger Bildhauer – die Ausstellung Junge Prager Künstler zum Jubiläum von Hana Wichterlová wurde zu einem außergewöhnlichen Kulturereignis.

Hana Wichterlová ist eine der prominentesten Persönlichkeiten der tschechischen Avantgardebildhauerei der Zwischenkriegszeit und wird zu Recht als die erste Dame der tschechischen Bildhauerei bezeichnet. Sie starb Ende August 1990 in ihrem Atelier. Sie gehört zu den anerkannten Vertreterinnen der modernen tschechischen Bildhauerei.

Quelle: www.lomyatezba.cz

PolandGermanEnglishCzech