WIR SIND ALLE CHINESEN

In einigen asiatischen Kulturen ändert sich der Name einer Person, wenn sie aufwächst. Als Neugeborenes bekommt man einen Namen, dann bekommt man einen anderen Namen, wenn man in den Kindergarten geht, in die Schule, und wieder mal wenn man erwachsen wird und zum Vater oder Mutter wird, und es geht so weiter. Diese Kulturen kommen zu dem Schluss, dass aus dem menschlichen Wesen an einem bestimmten Punkt eine andere Person geschaffen wird und dass er daher einen neuen, angemesseneren Namen tragen sollte. So ist es wahrscheinlich auch mit den Steinen, die aus fernen Ländern zu uns kommen. Wenn es darum geht, Namen zu erfinden, sind der Kreativität der Händler keine Grenzen gesetzt.

 

Ich beobachte mit großem Interesse, wie die Namen für die einzelnen Steinsorten geschaffen werden. Mir scheint, es fänden in vielen der Importunternehmen wöchentliche Kreativtreffen statt, bei denen jene verschiedensten „Pink Flowers“, „Night Blues“, „Hard Woods“ oder „Beautiful Mekongs“ entstehen. Man muss die poetische Seele unserer Künstlerkollegen schätzen können. Doch die Bezeichnung „Moon River“ für ein magmatisches Gestein erfordert ein wenig unkonventionelles Denken.

Das ist in Ordnung, denn der Handelsname ist im Grunde willkürlich, aber… er sollte nicht irreführend sein. Solche Irreführung findet jedoch seit langem in der Form von Änderungen am Namen selbst statt – durch Hinzufügen eines Buchstabens (Llieto Red) oder durch Hinzufügen des Adjektivs NEW – New Impala, New Viscont White. Dann staunt man erst mal, wie die Materialien aus Finnland, Südafrika und Indien auf eine wundersame Weise nach China gelangt sind. Da hatte wohl jemand die gleiche Idee wie die Sportschuhverkäufer im legendären Warschauer Stadion des Jahrzehnts.

Jetzt sind die Materialien nicht mehr in Bewegung. Stattdessen erleben wir, wie ganze Städte, Regionen und Länder ins Reich des Zentrums einziehen. Vor einigen Jahren bemerkte ich in einem der Angebote aus China einen grauen Granit namens Żbik (der Name eines der Steinbrüche in Strzegom, abgeleitet vom Nachnamen einer bekannten Steinmetzfamilie). Man müsste also offenbar den gesamten Steinbruch verlegen. In einer anderen Anzeige las ich, dass man chinesischen Carrara in der Form von Marmorplatten kaufen kann. Interessant ist auch, dass alles, was schwarz ist, als schwedisch bezeichnet wird – es ist nicht mehr so einfach, den ganzen Staat nach Indien zu verlegen, aber offenbar beginnt es möglich zu sein.

Was ist daran falsch? Täuschung der Kunden. Wer einen Grabstein aus Strzegom-Granit kaufen möchte, soll ihn bekommen. Wer feinen Carrara-Marmor will, soll ihn haben. Wer schwedischen Diabas will, soll ihn haben. Bluffen Sie den Kunden nicht. Nicht jeder möchte Chinese sein.

 

 

 

Quelle: Kurier kamieniarski

Autor: Michał Firlej  |   Publiziert: 3. 3. 2021

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